Über die "Epistolae"

Dieser Text ist als informative Ergänzung sowohl für die lateinische Textpassage und deren deutsche Übersetzung, aber auch für die Biografie Ogier de Busbecqs gedacht. Mehr Informationen zum Osmanischen Reich zu Zeiten Suleimans sind bei Geschichte 1521-1566 zu finden.

Buchdeckel einer Pariser Edition der "Epistolae" aus dem Jahre 1595.

 

Bildquelle:

Biblioteca Comunale "Renato Fucini" di Empoli (FI), "Catalogo delle edizioni del Cinquecento". http://www.comune.empoli.fi.it/biblioteca/CATALOGO/schede/sch624.html (27.11.2001).

Ogier de Busbecq war 1554-1562 Botschafter der Habsburger im osmanischen Reich. Er beschreibt diese Zeit seines Lebens in vier fiktiven "Briefen", gerichtet an Nicolas Michault, einen anderen Diplomaten in den Diensten von Ferdinand I, der zusammen mit Busbecq in Italien studiert hatte.

Die Briefe wurden mit 1. September 1555 (nach seiner Rückkehr von einer ersten diplomatischen Reise ins Osmanische Reich; aus diesem Brief stammt die auf dieser Website vorhandene und Textpassage), 14. Juli 1556, 1. Juni 1560 (beide während seiner Botschaftertätigkeit in Konstantinopel) datiert, der vierte nach seiner Rückkehr nach Wien. Es gilt heute aber als gesichert, dass jene Dokumente von Busbecq nach seiner Rückkehr noch einmal sehr sorgfältig überarbeitet wurden, um sie bewusst als Dokumente über das Osmanische Reich und über sein Wirken dort zu gestalten.

Das Werk beschreibt Busbecqs Reisen, Erlebnisse und politische Tätigkeit während seiner achtjährigen Dienstzeit als Botschafter im Reich Suleimans des Prächtigen. Daneben gibt es aber umfangreiche Informationen über das Leben zur Blütezeit des Osmanischen Reichs, die Bräuche, Sitten und generell die Lebensart des türkischen Volkes, aber auch einiger Minderheiten im Reich. So zum Beispiel gilt das Werk als die wichtigste Quelle über das Leben der auf dem Balkan lebenden Christen im 16. Jahrhundert. Es enthält aber auch detaillierte Beschreibungen der politischen Umstände im Reich unter Suleiman. Busbecq weist immer wieder auf einsetzende Zerfallserscheinungen hin, obwohl der Niedergang des Osmansischen Reichs erst nach Suleimans Tod 1566 beginnt.

In beiden Fällen ist Busbecq eine einmalige Quelle. Er war der Erste, der unvoreingenommen und detailliert über das Osmanische Reich schrieb. Zuvor hatten nur sehr vage Berichte existiert, die zudem alle ein sehr negatives Feindbild verbreiteten. Busbecq zeichnete ein Bild eines farbigen und regen Lebens. Er galt demensprechend auch als sehr offen und interessiert gegenüber fremden Kulturen. Er sprach sieben Sprachen fliessend und erlernte während seiner Türkei-Zeit Türkisch und möglicherweise noch andere orientalische Sprachen.

Entsprechend seiner humanistischen Bildung und Geisteshaltung schrieb Busbecq in Lateinisch. Dank seiner guten Ausbildung beherrschte er diese Sprache in hohem Masse.

Ebenso war Busbecq sehr an der Antike interessiert So schildert er in seinen Briefen auch seine Forschungen auf dem Gebiet der antiken Archäologie. Seine wichtigste Leistung ist dabei die Wiederentdeckung des Monumentum Ancyranum in Ankara (siehe die entsprechende Textpassage). Auch sammelte er Münzen (auch hierzu eine Textpassage), griechische Handschriften und lateinische Inschriften.

Auch betätigte er sich im Osmanischen Reich als Naturwissenschafter. Seine Beschreibung der orientalischen Tier- und Pflanzenwelt hatten grossen Einfluss auf die Wissenschaft, da er auch hier der erste Westeuropäer seit der Antike war, der gründlich forschte. Die europäischen Gärten verdanken ihm den Flieder, die Levkoje und die Tulpe, die er als Erster aus der Türkei mitbrachte. In seiner Botschafterresidenz in Konstantinopel hielt er Affen, Wölfe, Bären, Luchse und diverse andere Tiere; bei seiner Rückkehr nach Wien 1562 nahm er sechs Kamele dorthin mit.

Die vier Briefe wurden dank der aufgekommenen Drucktechnologie schnell bekannt. 1581 wurde eine erste Edition in Antwerpen mit dem Titel "Itinera" publiziert, später eine weitere als "Legationis Turcicae Epistolae", die wiederum in Antwerpen aber auch in Paris gedruckt wurde, später in zahlreichen weiteren Städten. Bald wurde die "Epistolae" auch in andere Sprachen übersetzt, so bereits 1596 ins Deutsche, 1632 ins Holländische, 1646 ins Französische. Aber auch ins Spanische und Englische wurden sie im 17. Jahrhundert übertragen. Vielleicht gab es bereits 1594 eine in kleiner Auflage publizierte Übersetzung ins Tschechische.

Zudem wurde bereits 1633 in Leiden (Niederlande) eine Gesamtausgabe seiner Werke herausgegeben. Neben den Briefen aus der Türkei sind darin auch seine Briefe aus Frankreich an Rudolf II (Link zu Biografie!) enthalten. Doch Busbecq hat noch weitere Werke geschrieben, unter anderem eine Geschichte Belgiens, die heute als verloren gilt. Diese Gesamtausgabe, "Omnia quae extant opera" ("Alles, was vom Werk (noch) vorhanden ist") genannt, wurde unter anderem 1740 in Basel nachgedruckt. Davon gibt es wiederum einen Nachdruck, der 1968 in Graz erschien. Er enthält die Textstellen, die auf dieser Website in deutscher Übersetzung wiedergegeben sind.

Das Werk erfreute sich in den folgenden Jahrhunderten grosser Beliebtheit, vor allem bei Lesern, die sich mit dem Osmanischen Reich auseinandersetzten, auf politischer, sozialwissenschaftlicher oder naturwissenschaftlicher Ebene. Erst im 19. Jahrhundert verlor es an Bedeutung, da es zunehmend von neueren Berichten und den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft abgelöst wurde. Es behielt aber bis heute den Wert als einmaliges Zeitdokument der Blütezeit des Osmanischen Reichs. Heute wird es zudem auch wegen seiner äusserst spannenden, lebendigen und unterhaltenden Erzählungen über das exotische, schillernde und farbenfrohe Land auf der Schwelle zum Orient noch immer geschätzt und zitiert.

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