Das Osmanische Reich: Historischer Überblick 1566-1923

Die Hagia Sophia in Istanbul im 19. Jahrhundert.

 

Bildquelle: Necdet Sakaoglu Archiv.

Zu finden bei:

Arap's Turkish House-Cafe, "Old Istanbul". http://www.armory.com/~ssahin/OttomanCities/istanbul/istanbul.html (27.11.2001).

Nach den beiden ersten Teilen des geschichtlichen Überblicks (bis 1520 und 1521-1566) befasst sich der letzte mit dem Osmanischen Reich nach Suleimans Tod bis zu seinem Untergang 1923.

Mit der Ära Suleimans des Prächtigen hatte das Osmanische Reich seinen Zenit erreicht. Selim II (1566-1574) und dessen Nachfolger Murat III (1574-1595) erwiesen sich als schlechte Herrscher. 1571 unterlag die osmanische Flotte im Krieg um Zypern derjenigen der christlichen Gegenpartei, bestehend aus Italienern und Spaniern. Trotz der Niederlage ging die Insel aber an das Osmanische Reich. Ebenfalls konnten die Osmanen im Perserkrieg 1578-1590 ihr Reich noch einmal vergrössern.

1595 folgte Mehmet III (bis 1603), eine wieder stärkere Herrscherpersönlichkeit. In Siebenbürgen herrschten zur Zeit wirre politische Verhältnisse. Und bereits zu Beginn der Neunzigerjahre war die Situation in Ungarn zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich wieder eskaliert, der "Lange Krieg" begann (1593-1606). 1596 gewannen die Osmanen die erste grosse Schlacht des Krieges, doch es sollte auch ihr letzter Sieg in diesem Konflikt gewesen sein.

Das 17. Jahrhundert war für das Osmanische Reich ein düsteres. Viele schlechte Herrscher kamen auf den Sultansthron. Und die wenigen guten starben früh — zum Teil gewaltsam. Doch gab es auch Probleme bei der Finanzierung des Heeres, welche durch Inflation (bedingt durch die Spanischen Goldimporte von Südamerika nach Europa) noch verstärkt wurden. Die Korruption geriet ausser Kontrolle, das Heer zeigte Zerfallserscheinungen, auch weil die politischen Wirren keine klare Strategie ermöglichten.

Die Krise war anhaltend und wegweisend. Zwar belagerte Sultan Mehmet IV (1648-1687) 1683 noch einmal Wien mit 200'000 Mann, was aber wiederum erfolglos abgebrochen werden musste. 1686 verlor das Osmanische Reich Buda, und von Osten her war es von den Russen unter Peter dem Grossen unter Druck. Mit dem politischen Machtverlust geriet es ebenfalls immer mehr unter die Räder der europäischen Grossmächte Russland, England, dem habsburgischen Österreich, Frankreich und ab Mitte 18. Jahrhundert der Preussen.

1774, nach Beendigung des türkisch-russischen Krieges, verlor das Osmanische Reich grosse Gebiete in Europa und auf dem Balkan. Das Reich rückte ins Zentrum der "Orientalischen Frage", welche erst mit dem Ende des Reichs gelöst werden sollte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts versuchten die Sultane, den Niedergang mit Reformen abzuwenden, welche aber nicht ausreichend waren. Unabhängigkeitsbewegungen von nicht-muslimischen Minderheiten verschärften die Situation weiter.

Die staatliche Misswirtschaft machte das Land von europäischen Investitionen abhängig und führte so weit, dass 1875 der Staat bankrott erklärt wurde. Die Minderheiten gingen — dank Unterstützung der europäischen Grossmächte — gestärkt aus diesem Chaos hervor. Zudem wurden Tunesien (1881) und Ägypten (1882) von Frankreich, respektive England, besetzt.

Auf dem Gebiet der heutigen Türkei erwachte der türkische Nationalismus. Gleichzeitig forderten die Armenier einen autonomen Staat und spannten mit Russland zusammen. Die osmanische Regierung fühlte sich davon so sehr provoziert, dass sie das Problem 1915 mit einer halben bis anderthalb Millionen Morden an Armeniern "löste" — der ersten Massenvernichtung des 20. Jahrhunderts, einem eigentlichen Genozid.

Unterdessen war eine starke politische Opposition entstanden, die "Jungtürken". Diese waren allerdings in zwei völlig unterschiedliche Flügel gespalten, die Nationalisten, die ein türkifiziertes Reich wollten, und solche, die den Staat zu Gunsten der Minderheiten dezentralisieren und föderalisieren wollten. Als die Jungtürken 1908 die Regierung vom Sultan übernahmen, setzten sich die Nationalisten durch. Dies führte zu einer weiter verstärkten inneren Zerrüttung; zudem wurde in den beiden Balkankriegen (1912/13) noch mehr Territorium verloren.

Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde Deutschland ein immer wichtigerer Partner des Reichs, was sich mit der Machtübernahme der Jungtürken noch verstärkte. Ein beim Ausbruch des ersten Weltkriegs (1914) von Deutschland mit dem Osmanischen Reich geschlossenes Geheimbündnis bewirkte schliesslich dessen Eintritt in den Krieg, den es an zahlreichen Fronten gegen verschiedene Armeen führte. Die nicht abreissenden innenpolitischen Probleme verursachten weitere Schwierigkeiten.

Bei Kriegsende (1918) war das osmanische Reich den Siegermächten völlig ausgeliefert. Durch den Friedensvertrag von Sèvres von 1920 wurde es völlig zerstückelt. Schon 1919 hatten Wahlen stattgefunden, unter denen Mustafa Kemal (später Attatürk genannt) und seine Verbündeten als Sieger hervorgingen, doch mit der Besetzung Istanbuls (Konstantinopel) durch die Briten wurde das Parlament aufgelöst. Kemal rief die Abgeordneten nach Ankara, wo sich ein neues Parlament bildete. In einem Krieg konnte 1922 die türkische Armee das heutige Staatsgebiet der Türkei erobern, und 1923 wurde die Türkei in Friedensverhandlungen zum Nationalstaat mit der Hauptstadt Ankara. Das Sultanat wurde abgeschafft.

-> Historischer Überblick bis 1520

-> Historischer Überblick 1521-1566

-> Seitenanfang