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Was kostet die Hilfe des Asklepios?

Opfervorschriften im Asklepieion von Epidauros

In der Eingangshalle des Museums im Asklepieion von Epidauros steht eine Inschrift mit Vorschriften für die Opfer an Apollon Maleatas (den Vorgänger des Asklepios) und Asklepios. Die 2 Bruchstücke gehören zusammen (IG IV2, 1, Nr. 40f. ). Der Anfang von Nr. 40 und der Schluss von Nr. 41 sind abgebrochen, lassen sich aber mit einiger Sicherheit ergänzen. Die ergänzten Partien sind bei der Übersetzung in eckige Klammern gesetzt. Eine Abbildung der Inschrift (290k, Photo David Gavin) findet man hier. Die Inschrift ist in die Zeit von etwa 400 v. Chr. zu datieren (also in die Zeit, als der Asklepios-Kult den Kult des Apollon Maleatas ablöste). Meine Übersetzung folgt dem Text der Insciptiones Graecae (F. Hiller v. Gaertringen). Viele Fragen müssen hier offen bleiben. (Leider bietet auch Maria Girones Buch über die Iamata
keine Hilfe, weil sie diese Inschrift nicht behandelt). Kritische Beiträge zu Übersetzung und Interpretation sind erbeten an heinz.schmitz@mus.ch. - Ein herzlicher Dank geht an Hanspeter Ebnöther, von dem ich bei der Diskussion einiger dialektaler Fragen profitieren durfte, sowie an Walter Burkert, dem diese kurze Abhandlung viel verdankt.

Maria Girone, Iamata. Guarigioni miracolose di Asclepio in testi epigrafici. Con un contributo di Maria Totti-Gemünd (1998). Sie behandelt nur 5 Inschriften aus Epidauros, darunter den vieltraktierten Hymnos des Isyllos, aber weder die hier zur Diskussion gestellte noch die grossen Stelen mit der Aufzählung von Heilwundern. Mit diesen befasst sich Lynn R. LiDonnici ausführlich in ihrem Buch: The Epidaurian Miracle Inscriptions. Text, Translation and Commentary, Atlanta 1995, die jedoch ebenfalls die hier diskutierte Inschrift nicht erwähnt. - Bei Franciszek Sokolowski, Lois sacrées des cités grecques (Paris 1969) , ist die Inschrift unter Nr. 60 pibliziert. (zurück)

Übersetzung von Nr. 40

[Dem Apollon soll man ein männliches Rind opfern und den Göttern im selben Tempel (homonaois) ein männliches Rind. Auf dem Altar des Apollon soll man diese opfern] und einen Hahn für Leto und für Artemis einen weiteren Hahn., als Anteil für den Gott einen Scheffel (medimnos) Gerste, einen halben Scheffel Weizen, eine hemiteia Wein und einen Schenkel des ersten Rinds, den anderen sollen die Aufseher (iaromnamones) bekommen. Vom zweiten Rind sollen sie den Sängern (aoidoi) einen Schenkel geben, das andere und die Eingeweide sollen sie den Wächtern geben.

(Leerzeile)

Übersetzung von Nr. 41

Dem Asklepios soll man ein männliches Rind opfern und den männlichen Göttern im selben Tempel (homonaois) ein männliches Rind und den weiblichen Göttern im selben Tempel (homonaais) ein weibliches Rind. Auf dem Altar des Apollon soll man diese opfern und einen Hahn. Sie sollen dem Asklepios als Anteil für den Gott einen Scheffel (medimnos) Gerste, einen halben Scheffel Weizen und eine hemiteia Wein opfern. Einen Schenkel des ersten Rinds sollen sie [dem Gott opfern, den anderen sollen die Aufseher (iaromnamones) bekommen. Vom zweiten sollen sie (einen Schenkel) den Sängern (aoidoi) geben, den anderen und die Eingeweide sollen sie den Wächtern geben.]

1 medimnos entspricht nach attischen Massen 52.5 l. (zurück)

1 hemiteia entspricht nach attischen Massen 4,375 l. (zurück)

Die Funktion der aoidoi ist unklar. (zurück)

Interpretation

Rinder wurden eher selten und vor allem in grossen Heiligtümern geopfert, da sie "für viele zu kostspielig" waren (1). Walter Burkert verweist auf Sokolowski Nr. 20 B (Attika, etwa gleichzeitig mit dieser epidaurischen Inschrift), wo der Preis eines Rindes mit 90 Drachmen angegeben ist, was das 540fache des Richtersolds [Ersatz für den Lohnausfall] von zwei Obolen ist. Hier kann es sich also unmöglich um ein privates Opfer handeln, sondern um ein Staatsfest oder ein ausserordentliches Fest (Mail vom 17.03.04). Über den Anlass wissen wir nichts

Auffällig ist, dass das Opfer für Apollon Maleatas (dem älteren Gott, dessen Heiligtum oben auf dem Hügel danach schrittweise an Bedeutung verlor) billiger war als das Opfer für Asklepios:

Apollon:

2 Rinder

2 Hähne

Asklepios:

3 Rinder

1 Hahn

(Gerste, Weizen und Wein sind bei beiden gleich)

Bei der Verteilung der Gaben stellen sich einige Fragen. Nichts gesagt wird in Nr. 40 und Nr. 41 darüber, was mit Gerste, Weizen und Wein geschieht. Im allgemeinen gilt: Tieropfer waren "regelmässig von Speisegaben begleitet". "Solche Gaben werden auf dem Altar verbrannt, teils vor, teils nach Knochen und Fett des Opfertiers. (...) Seit klassischer Zeit mehr und mehr bezeugt ist das Aufstellen von Opfertischen", die Gaben fallen den Priestern zu (2).

Nicht speziell zugeteilt werden

sowie die Hähne und alle anderen nicht erwähnten Teile der Rinder. Diese Teile wurden wohl von den Opfernden und ihrer Entourage verzehrt. Im grossen Hestiatorion (3) gab es viele Speiseräume. Wie auch immer Einzelheiten zu verstehn sind, soviel ist klar: Eine Heilung in Epidauros war teuer.

(1) Der Neue Pauly 8. 1241 s.v. "Opfer". (zurück)

(2) Walter Burkert, Die Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche (1977), 118. (zurück)

(3) R.A. Tomlinson, Epidauros (1983), 78ff. (zurück)

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